Ideen gibt’s genug
Schutz vor Anschlägen am Breitscheidplatz ohne klobige Sperren
tagesspiegel.de – Montag, 12. Februar 2024
Von Cay Dobberke
Den Breitscheidplatz verschandeln noch immer Lkw-Sperren, Gitterkörbe mit Sandfüllungen und viele Poller. Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie dieser zentrale Platz anders vor Anschlägen geschützt werden kann. Nachdem ein islamistischer Terrorist im Dezember 2016 einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gelenkt und 13 Menschen getötet hatte, galt der Schutz vor Attentaten mit Fahrzeugen als unverzichtbar. Doch mit den bisherigen Maßnahmen ist niemand zufrieden. Geht es auch weniger hässlich? Ja, sagt Christian Schneider. Im Auftrag von Senat und Bezirksamt hat er Konzepte für den Breitscheidplatz entwickelt. Als UN-Sachverständiger und Fachplaner für Zufahrtsschutz hat er Projekte in europäischen Städten beratend begleitet. Es ging um Plätze und Straßen, Synagogen, Flughäfen und das Stuttgarter Stadion, das zu den Spielstätten der Fußball-EM im Sommer gehören wird. Auch die aktuellen Maßnahmen auf dem Breitscheidplatz beruhen auf seinen Ideen. Die stählernen LKW-Sperren seien bis auf Weiteres der „wirksamste“ Zufahrtsschutz, betont er. Als lebensgefährlich für Passanten lehnt Schneider vielerorts verwendete Betonklötze ab – die auch nich schöner wären. Beim Anschlag 2016 „wäre ein Klotz 200 Meter weit geschlittert“, ohne den vom Attentäter geraubten Lastwagen zu stoppen, schätzt er. „Die Opferzahl hätte sich multipliziert.“ Versenkbare Poller kämen auch nicht infrage. Nur rund einen halben Meter unter dem Platz befinde sich die Decke der U-Bahntunnel.
Den motorisierten Verkehr aufs Notwendige beschränken
Ohne Schneiders Mitwirkung hatte der damalige Innensenator Andreas Geisel (SPD) 2022 die Idee einer schützenden Skulptur präsentiert. Ein „Berlin“-Schriftzug aus drei Meter hohen Metallbuchstaben sollte auf einem 16 Meter breiten Betonsockel stehen. Nach Protesten aus Landesdenkmalamt, Gedächtniskirche und Bezirkspolitik gab Geisel entnervt auf.
Über seine Konzepte darf Christian Schneider eigentlich nicht sprechen. Der Senat hat ihn zur Vertraulichkeit verpflichtet. Aber er macht Andeutungen wie: „Ein Lkw, der nicht in die Nähe kommt, ist keine Gefahr.“ Die bezirkliche SPD-Fraktion hatte bereits im Sommer 2022 gefordert, motorisierten Verkehr in umliegenden Teilen des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße auf BVG-Busse, Taxis, Lieferwagen und Rettungsfahrzeuge zu beschränken. Schneider war beteiligt an Vorschlägen aus dem Bezirk. Der für Straßen und Verkehr zuständige Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) wirbt dafür, die südliche Fahrbahn der Budapester Straße zwischen dem Hotel Waldorf Astoria und dem Einkaufszentrum „Bikini Berlin“ zu sperren. Der Mittelstreifen würde zur Barriere verstärkt. Am Kurfürstendamm will das Bezirksamt eine Lücke im Mittelstreifen schließen, damit kein Fahrzeug aus der Rankestraße geradeaus in Richtung Breitscheidplatz rasen kann und nur noch das Abbiegen nach rechts in die Tauentzienstraße möglich ist. Sogar Begrünungen seien möglich, sagt Schneider und nennt „moderne Multibeete“ als effektive Barrieren. Damit meint er Hochbeete mit einem Fundament aus Stein. Die Aufenthaltsqualität könne steigen – aber die Entscheidung liege bei der Politik.
Jetzt traf sich Schruoffeneger mit Verkehrs-Staatssekretärin Claudia Stutz (CDU) zum Ortstermin. Danach sagte der Stadtrat, es gebe kein nennenswertes Ergebnis. Berlins Innenverwaltung wolle den Platz weiterhin mit „temporären Maßnahmen“ schützen. Andere Pläne habe man auf Wunsch der Stadtentwicklungsverwaltung für eine „Weiterentwicklung des städtischen Raumes“ ausgesetzt.
Ein Lkw, der nicht in die Nähe kommt, ist keine Gefahr.
Christian Schneider
Christian Schneider im Interview mit CT Insight
Christian Schneider, Spezialist für Sicherheitsberatung im Bereich Hostile Vehicle Mitigation (HVM), sprach mit CT Insights über seine Erfahrungen und die Herausforderungen im Umgang mit Fahrzeugangriffen (VAW). Er erklärte, wie seine Arbeit im Naturgefahrenschutz ihm half, in den Bereich HVM zu wechseln, insbesondere nach den Terroranschlägen in Nizza und Berlin 2016.
Zufahrtsschutz in Praxis: sichere Innenstädte, Stadien und Veranstaltungsflächen
In der aktuellen Ausgabe der pvt widmet sich der Artikel „Zufahrtsschutz in Praxis“ einem hochrelevanten Thema: dem Schutz öffentlicher Räume vor unbefugtem Fahrzeugzugang. Ob Innenstädte, Stadien oder Veranstaltungsflächen – der Bedarf an effektiven Sicherheitsmaßnahmen wächst stetig. Der Beitrag von Christian Schneider und Polizeihauptkommissar Alexander Arns beleuchtet aktuelle Technologien und Strategien, die zur Absicherung dieser sensiblen Bereiche eingesetzt werden, und gibt praxisnahe Einblicke in erfolgreiche Implementierungen.
Fachforum auf der Perimeter Protection 2025 in Nürnberg
Christian Schneider wird auf der Perimeter Protection 2025 in Nürnberg einen Vortrag über die Bedeutung des Zufahrtsschutzes halten. Er beleuchtet dabei aktuelle Entwicklungen und Lösungen im Bereich HVM. Zudem steht er während der gesamten Messe am Messestand des Verbands für Sicherheitstechnik e.V. (VfS) für Gespräche und Austausch zur Verfügung.
VfS Seminar Zufahrtsschutz
Erleben Sie am 4. und 5. März 2025 ein praxisorientiertes Seminar zum Thema Zufahrtsschutz mit einer exklusiven Führung durch das Jüdische Museum Berlin. Lernen Sie von Experten, wie Sicherheitsmaßnahmen unauffällig und effektiv ins Stadtbild integriert werden können. Das Seminar richtet sich an Sicherheitsverantwortliche und bietet umfassende Einblicke in moderne Schutztechniken sowie relevante Normen und Richtlinien.
„So funktioniert der Zugfahrtschutz auf Weihnachtsmärkten“
Christian Schneider, Sachverständiger für Zugfahrtschutz kritisiert die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Und erklärt, wie es besser geht. Das Interview erschien online in der Süddeutschen Zeitung am 24. Dezember 2024. Das Interview führte Sina-Maria Schweikle, Berlin.
Schutzkonzept in Ordnung? „Leider nein“
Nach der Tat in Magdeburg sagt Christian Schneider im ZDF heute journal Gespräch mit Dunja Halali: Hätte das Sicherheitskonzept der Norm entsprochen, „hätte der Anschlag so nicht stattfinden können“.